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… noch was fürs klima
Ein Artikel der digitalen Ausgabe der Süddeutschen Zeitung vom 01.06.2022
Wissen, 01.06.2022
Klimakommunikation
“Erst mal müssen die Leute verstehen”
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Interview von Selmar Schülein
Mirjam Jenny will mit ihrem Team an der Universität Erfurt ergründen, was die Menschen brauchen, um sich klimafreundlicher zu verhalten – und was sie auf diesem Weg ausbremst.
SZ: Die vergangenen sieben Jahre waren in Europa die wärmsten seit Beginn der Aufzeichnungen. Wie geht es Ihnen gerade mit Blick auf die Klimakrise?
Mirjam Jenny: Ich bin eine ziemlich unermüdliche Optimistin. Allerdings bereitet mir die Klimakrise dennoch große Sorgen. Mir fehlt es in der Politik an Entschiedenheit, unsere Energie-, Konsum-, und Wirtschaftssysteme nachhaltig umzugestalten. Dafür müssten wir den Klimaschutz viel mehr vom Menschen her denken. Den Verursacher und einzig möglichen Bekämpfer der Klimaerwärmung mit guter Kommunikation mitnehmen und Maßnahmen so gestalten, dass die Öffentlichkeit sie trägt. Damit jeder und jede Einzelne sie gut umsetzen kann.
Klimaforschende rund um den Globus warnen seit Jahrzehnten immer eindringlicher. Trotzdem tut sich noch zu wenig. Wie soll der Klimamonitor das ändern?
Beim Klimamonitor geht es erst mal darum, eine Datenbasis zu schaffen, mit der wir verstehen können, wo die Öffentlichkeit in puncto Klimakrise steht. Wir schauen uns an, welche Risiken die Bevölkerung in der Klimakrise sieht, ob sich die Menschen betroffen fühlen und wovon. Wichtige Einsichten sind auch, welche politischen und gesellschaftlichen Maßnahmen eine breite Unterstützung erfahren, inwiefern sich die Leute bereits klimafreundlich verhalten und was sie überhaupt über das Thema Klimawandel wissen. Dies alles ermitteln wir mit regelmäßigen repräsentativen Bevölkerungsumfragen.
Über den Klimamonitor können wir aber auch Klimakommunikation testen. Also zum Beispiel, wie wir den Zusammenhang zwischen Klimaerwärmung und Gesundheit so erklären müssen, dass es bei den Menschen hängenbleibt und sie sich aktiv für den Schutz des Planeten einsetzen. Der Klimamonitor erlaubt uns also, psychologische Mechanismen besser zu verstehen.
Das klingt, als würden in die politische Gestaltung und Klimakommunikation bislang keine solche Erkenntnisse einfließen.
Das kann ich nicht abschließend einschätzen. Aber zumindest gibt es viel Luft nach oben. Von NGO-Seite gibt es positive Beispiele, wir bräuchten sie aber vor allem ausgehend von der Regierung, der Wirtschaft und den Behörden.
Was passiert, wenn die politische Steuerung nicht auf solche Daten zurückgreifen kann?
Dann plant man am Menschen vorbei. Denken Sie an die Impfkampagne. Eine der ersten Gruppen, die sich dringend impfen lassen sollte, waren ältere Menschen. Was mussten diese tun, um möglichst rasch geimpft zu werden? Sie mussten sich durch komplizierte Webseiten klicken, um den Termin zu kriegen, und dann womöglich weit weg in ein Impfzentrum fahren und dort draußen anstehen, bis sie an der Reihe waren. Man hat alten Menschen das Impfen zu Beginn viel zu schwierig gemacht. Beim Thema Klimaschutz gibt es ähnliche Hürden. Es ist zum Beispiel kompliziert, eine Energieberatung zu erhalten. Auch Subventionsprogramme sind oft bürokratisch verkompliziert. All dies könnte man mittels des Klimamonitors sehr präzise vom Menschen her aufziehen. Nutzerfreundlichkeit ist hier nur ein großes Stichwort. Und natürlich eine wirksame Kommunikation.
Wie könnte man politische Maßnahmen effektiver gestalten?
Erst mal müssen die Leute verstehen, was zu tun ist. Worum sollten sie sich priorisiert kümmern? Um die Heizung, ihre Ernährung, ihren Arbeitsweg? Es muss klar kommuniziert werden, was wir weshalb tun müssen. Und dann kommt das wie. Die klimapositive und damit gesunde Option muss einfacher werden. Idealerweise einfacher als schädlichere Optionen. Hierbei legt der Klimamonitor Gestaltungswege frei.
Aber braucht man dafür einen Klimamonitor? Es gibt doch schon viele Erkenntnisse über Risikokommunikation oder Verhaltenspsychologie.
Eine Stärke des Klimamonitors liegt darin, dass wir stets ganz aktuell beobachten können, worüber sich die Menschen gerade am meisten Gedanken machen. Ob sie etwa konkreten und aktuell geplanten Maßnahmen zustimmen. Stets zu wissen, was die Menschen aktuell umtreibt, ist für gelingende gesellschaftliche Gestaltung ein entscheidender Faktor.
Der regelmäßige und häufige Einblick in die Gesellschaft ist ein Schlüssel, der uns helfen kann, Entwicklungen besser zu verstehen und wenn möglich nachzusteuern. Der Klimamonitor kann uns auch helfen, soziale Normen abzubilden. Menschen werden vor allem aktiv, wenn andere in ihrem Umfeld aktiv werden. Wenn wir nun also etwa abbilden könnten, dass viele Menschen sich bereits mit Klimaschutz befassen und ihr Verhalten zu verändern versuchen, kann das wiederum andere motivieren, mitzuziehen. Klimaschutz wird idealerweise selbstverständlich.
Gegen die Klimakrise muss schnell gehandelt werden. Wann kommen die ersten Ergebnisse?
Der Klimamonitor läuft schon. Geplant ist, dass wir viermal im Jahr Daten erheben, deren Resultate auf unserer Website offen einsehbar sind. Zum Sommer hin wird uns das Thema Hitze und Gesundheit beschäftigen. Momentan haben wir auch eine tragfähige Förderung. Wir suchen zwar nach Möglichkeiten, die Arbeit international auszuweiten, aber für Deutschland sind wir auf einem guten Weg. Was wir jedoch brauchen, sind Menschen aus der Politik, den Behörden und der gesellschaftlichen Gestaltung, die sich die Resultate zu Herzen nehmen und auf unsere Dialogangebote eingehen.
In Hitzewellen sterben viele Menschen, Hautkrebserkrankungen nehmen zu, Krankheitserreger breiten sich aus. Sollte man den Zusammenhang von Gesundheit und Klima deutlicher kommunizieren?
Das kann gut funktionieren, ist aber nicht immer so wirksam, wie man es gerne hätte. Leute rauchen ja auch, obwohl sie wissen, welchen Gefahren sie sich damit aussetzen. Es fällt Menschen schwer, für die Zukunft zu planen. Das wissen nicht nur die Gesundheitsberufe allzu gut, sondern etwa auch Finanzberatende. Das Stichwort Gesundheit ist beim Thema Klima aber wichtig, weil wir die Auswirkungen der Klimakrise für die Menschen von der fernen Zukunft ins Hier und Jetzt holen müssen. Es sterben jetzt Menschen an Hitze, es erkranken jetzt Menschen an Krebs, wir haben jetzt eine Pandemie, die damit zu tun hat, wie wir mit unserer Umwelt und den Tieren umgehen. Klimaschutz vom Menschen her angehen, heißt eben auch, den Menschen und seine Gesundheit ins Zentrum zu stellen.