"Klein-Mexiko und umzu"
Ein Motivationsschub aus Klein-Mexiko
Auf der Veranstaltung der Klimaschutzagentur Energiekonsens – die auch Erdwärme-Dich unterstützt – im Gemeindehaus der Kirchengemeinde Alt-Hastedt wurde mir klar, wie schlüssig, einfach und überzeugend unser Konzept eines Anergie-Netzes zur Versorgung ganzer Quartiere mit Erdwärme ist.
„Klein Mexiko und umzu“ soll zu „einem energieeffizienten, klimaschonenden Quartier umgestaltet“ werden. Eingeladen zu der Auftakt-Veranstaltung hat der Energiekonsens, beraten durch die Firma Ingenieurbüro Tara und moderiert von der Kommunikationsagentur ecolo.
Bis zum Sommer 2023 sollen in den verschiedenen Straßen und dort in den verschiednen Haustypen Bewohner gewonnen werden, die ihre Verbrauchsdaten und enrgergetischen Gewohnheiten in einer Befragung offenbaren. Auf dieser Basis soll dann ein Vorschlag entstehen, ob neben den üblichen Sanierungsmassnahmen an den einzelnen Häusern ein lokales BHKw mit lokaler Nahwärmeversorgung oder gar ein Anschluß an das Versorgernetzwerk der SWB mit Fernwärme empfohlen werden soll.
Weiter heißt es in der Ankündigung zur Veranstaltung: „Beratungen zur Energieeinsparung und zur Nutzung nachhaltiger Mobilitätsangebote (Fahrrad, ÖPNV, Carsharing) fördern zusätzlich die Reduktion der CO₂-Emissionen.“
Das hört sich gut an und wird seine Zeit dauern. Der Energiekonsens hat für das Anergie-Netz Humboldtstr. eine Machbarkeitsstudie in Auftrag gegeben. Wir haben uns darauf beschränkt nur ide spezifischen Anforderungen für ein solches Netz untersuchen zu lassen. Denn wir wollten vermeiden, dass alle möglichen Nebenaspekte die Projektfindungsphase allzu sehr verlängern.
Nach der Vorstellung des Projekts gab es eine allgemeine Diskussion. Ich habe gelernt, dass es gar nicht selbstverständlich ist, dass Anwohner klaglos Bauarbeiten in der Strasse, vor den Häusern über längere Zeit akzeptieren wollen. Nur zu gut sind die Arbeiten an den verschiedenen Versorgungsleitungen (Abwasser, Wasser, Gas, Kommunikation, …) noch vor wenigen Jahren in Erinnerung. Eigentlich dachten alle, sie seien nun damit durch.
Da ist natürlich auch ein Anergie-Netz nicht automatisch willkommen. Ich glaube, die Akzeptanz für erneute, wenn auch nicht so aufwendige Arbeiten wird deutlich steigen, wenn es das Projekt eines jeden Anwohners ist, wenn man es für sich selbst und die Nachbarn gemeinsam macht.
Auch die lange Laufzeit einer solchen Studie und der Planung der daraus folgenden Massnahmen sind nicht sonderlich attraktiv. Denn bei den heutigen Unsicherheiten und stetig, nicht nachvollziehbar steigenden Preisen, sind Ideen heute gefragt, die zügig umgesetzt werden können, die keine Raketenwissenschaft sind und die von vorne herein eine stabile, zuverlässige und umweltfreundliche Versorgung sicherstellen. Es war die einhellige Meinung, dass Luft-Wärmepumpen hier keine sinnvolle Lösung ist. Denn gerade in einem so eng und kleinteilig bebauten Quartier, wie in Klein Mexiko, würden selbst die geduldigsten Anwohner sich sehr bald an der permanente Geräuschkulisse der Gebläse stören, seien sie auch noch so leise.
Als Vertreter von Erdwärme-Dich wurde ich gefragt, welchen Vorschlag wir zu machen hätten.
Ich habe erläutert , dass die Basis sowohl von BHKW-KWK (Blockheizkraftwerk Kraft Wärme Kopplung) als auch von Fernwärme nur verbranntes Gas sind und Gas kann nicht die Zukunft sein. Und es macht auch wenig Sinn, warmes oder sogar heißes Wasser durch die Strassen zu leiten, wenn man es direkt beim Verbraucher erzeugen kann. Daher ist für uns die gemeinschaftliche Versorgung mit Erdwärme das Mittel der Wahl. Denn in den preiswert verlegten, nicht isolierten Versorgungsleitungen zirkuliert nur das, was wir benötigen, eine erdwarmes Wasser oder Sole. Und daraus wird dann die Wärme im Haus durch die Wärmepumpe entnommen.
Wir konzentrieren uns zunächst nur auf den Punkt Wärmeversorgung und betreiben nicht gleichzeitig auch noch Projekte zur energetischen Ertüchtigung der Häuser oder die Nutzung von PV-Anlagen. Auch Elektromobilität u.ä. stehen nicht auf unserem Stundenplan.
Das bedeutet nicht, dass wir nicht auch die weiteren Möglichkeiten sehen, den Stromverbrauch der Wärmepumpen durch PV- oder besser PVT-Anlagen auf den Dächern zu optimieren. Wir sind nur der Meinung “First things first!”
Ich habe noch kurz erklärt, wie wir zunächst mit dem Förderverein Erdwärmedich e.V. und dann mit der Gründung der Betreiber-Genossenschaft den organisatorischen Rahmen schaffen, diese Aufgaben gemeinwohl-orientiert anzugehen – und zwar so bald als möglich.
Meine Lehren aus der Veranstaltung sind:
- Bis dato ist selbst bei interessierten Menschen die Idee eines Anergie-Netzes noch nicht angekommen. Wärmepumpe heißt immer noch entweder Luft-WP oder „Erdwärme geht nicht, weil es auf meinem Grundstück nicht passt.“
- Der Schritt von der individuellen Suche zum gemeinschaftlichen Ansatz ist nicht zwangsläufig. Wir müssen den genossenschaftlichen Gedanken erläutern und erklären, dass nur so ein überprüfbarer, von fremden Rendite-Interessen freier Betrieb möglich ist. Es wird, je länger wir uns damit beschäftigen, sowohl in technischer, wie auch organisatorischer Punkt zu einer Kernfrage:
- individuell haben nur einige wenige überhaupt die Möglichkeit, sich Erdwärme zu erschließen,
- gemeinsam geht das schon – und zwar für jeden, der will. Und dennoch: keiner muß!
- Wir werden erklären müssen, wie unser Finanzierungs-Modell aussieht, dass ohne riesige Eintrittsgelder für jeden bezahlbar bleibt und wie die Investitionen der Genossenschaft nach einer überschaubaren Amortisationszeit ausgeglichen werden können.
- Ein wichtiges Ziel muß sein, alle Interessierten dafür zu gewinnen, den Piloten in der Humboldtstraße gemeinsam durchzusetzen und erfolgreich in Betrieb zu nehmen. Wenn jeder für sich agiert, bracht das viel mehr Zeit und gemeinsam sind wir deutlich stärker und werden besser gehört. Und mit einem ersten Erfolg schaffen wir die Blaupause für alle anderen Initiativen
- Initiativen bilden sich lokal, können sich aber zur Förderung der gemeinsamen Ziele gerne und jederzeit dem Förder-Verein „Erdwärmedich e.V.“ anschließen. Benutzen wir den Verein als ein Sprachrohr, das besser gehört werden wird, als einzelne, verteilte Rufe aus den verschiedenen Quartieren.
- Und selbstverständlich muss und wird die Betriebsgenossenschaft allen offenstehen, die die Dienstleistungen der Genossenschaft und die gemachten Erfahrungen nutzen, die sich über Kosten und die Preise einen nachvollziehbaren Überblick verschaffen wollen. Also laßt uns alle einladen mitzumachen.
Es tut gut, zu versuchen, anderen zu begeistern, neues Wissen dazu zu gewinnen, die Aufgaben auf mehr Schultern zu verteilen und das Gefühl zu haben, an etwas Richtigem mitzuarbeiten.
Und dafür hat Hannah Beering für ihre Arbeit in der Klima AG von Klein-Mexiko mit mittlerweile rd 50 Mitgliedern auch vollkommen zu Recht den Bremer Klimaschutzpreis 2022 bekommen.
Herzlichen Glückwunsch!